Samstag, 19. April 2014

Verdeck

Der Blick aus dem offenen Verdeck des Combis ist so beruhigend. Ich auf der Fahrerseite. Ein Lächeln umspielt meine Lippen. Ich lasse den Motor an und setze zurück, will runter vom Parkplatz. Nach Hause, ich will nach Hause. Aber nicht in die Wohnung. Ich möchte alleine sein. Fahre eine Extrarunde und halte am Waldrand, unweit vom See entfernt an. Mache das Radio aus, kurbel die Fenster runter und lasse den Motor verstummen. Den ganzen Tag schon habe ich unbändige Kopfschmerzen, aber das ist Nebensache. Die Vögel zwitschern vergnügt, schnattern durcheinander. Ein seichter Wind streicht durch die saftig grünen Blätter der alten Bäume. Ein Moment der Ruhe. Ich besinne mich ganz auf mich selber, die Sonne wärmt meinen linken Arm und ich nehme meine Atmung bewusst wahr. Spüre wie sich meine Brust hebt und senkt. Ich lege meinen Kopf auf dem gespannten Sicherheitsgurt ab, genieße die Wärme, die von ihm ausgeht. Ich schließe die Augen für einen Moment, doch sehe aufgeregte Muster und Punkte vor meinen geschlossenen Lidern &merke, wie es in meinen Ohren rauscht. Deswegen öffne ich sie schnell wieder. Ich möchte aussteigen, bis vor zur Uferkante gehen und die Restsonne dieses Tages genießen, aber ich kann mich nicht bewegen, fühle mich seltsam schwer &erdrückt. Ja, auf meinem Brustkorb lasten gefühlte 100 Kilogramm, die mich in den Sitz drücken &meine Atmung ersticken. Plötzlich verspüre ich den Drang zu weinen, merke, wie sich alles in mir zusammenzieht, dreht und wendet. Wie meine Gedanken sich immer und immer schneller beginnen zu drehen, wie ein Wirbelsturm. Wie das Blut hinter meiner Stirn und in meinen Schläfen gnadenlos pulsiert. Wie mir schwindelig wird und sich mein Sichtfeld einschränkt. Aber ich kann nicht weinen. Es kommt keine Träne, kein Schluchzer, nicht einmal ein lautes Ausatmen oder scharfes Einsaugen der Luft. Ich sitze da und bin augenscheinlich vollkommen entspannt. Meine Finger zittern. Die große Sonnenbrille mit den dunklen Gläsern verdeckt meine zusammengekniffenen Augen, nur die gerunzelte Stirn ist zu erkennen. Nach einem weiteren tiefen Atemzug drehe ich den Schlüssel im Zündschloss und rolle langsam los. In eine Richtung, in die ich nicht will. Ich möchte weg, nur ganz weit weg,aber stattdessen fahre ich...nach Hause. Das Radio geht an &die ersten Töne von London Grammars "Strong" machen es mir unmöglich, in der Realität behaftet zu bleiben.

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